Im österreichischen Erbrecht stellt der Pflichtteil sicher, dass bestimmte nahe Angehörige des Verstorbenen einen Mindestanteil am Erbe erhalten, auch wenn sie im Testament nicht berücksichtigt wurden.
Wie hoch ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteilsanspruch entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der gesetzliche Erbteil ist jene Quote, die eine Person als Erbe erhalten würde, wenn die gesetzliche Erbfolge eintritt. Zum Beispiel ist das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten bei Vorhandensein von Kindern des Verstorbenen 1/3, die Kinder würden gemeinsam insgesamt 2/3 erben.
Die Quote berechnet sich vom Wert der reinen Verlassenschaft. Das ist jener Wert, der von den Aktiven in der Verlassenschaft nach Abzug aller Schulden und Verfahrenskosten übrig bleibt. Die Berechnung kann im Einzelfall sehr kompliziert sein.
Wer ist pflichtteilsberechtigt?
Anspruch auf den Pflichtteil haben:
- der Ehegatte bzw. die eingetragene Partnerin oder der eingetragene Partner des Verstorbenen
- die Nachkommen des Verstorbenen (Kinder, oder, sollten sie verstorben sein, die Enkelkinder)
Seit dem 01.01.2017 sind die Eltern nicht mehr pflichtteilsberechtigt.
Prozessuale Rechte und Möglichkeiten?
Pflichtteilsberechtigte haben im Verlassenschaftsverfahren zwar nicht die gleichen (vollen) Rechte wie ein Erbe, ihnen stehen aber dennoch einige Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Ansprüche zur Verfügung: Sie können im Verlassenschaftsverfahren die Schätzung und Inventarisierung des Vermögens des Verstorbenen beantragen. Zudem können sie lebzeitige Schenkungen des Erblassers berücksichtigen lassen, die den Pflichtteil beeinflussen. Wenn ein Pflichtteilsübereinkommen nicht erzielt wird, können sie ihren Anspruch gerichtlich geltend machen.
Wann kann der Pflichtteil gefordert werden?
Der Pflichtteilsanspruch ist ab dem Todestag fällig, kann aber frühestens ein Jahr nach diesem Datum eingefordert werden. Bei Verzögerung entstehen Verzugszinsen von 4 % pro Jahr. Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren ab Kenntnis der für das Bestehen des Anspruches maßgeblichen Tatsachen.
Es ist für den Pflichtteilsberechtigten unter Umständen sehr schwierig, herauszufinden, wie hoch sein Anspruch ist und welche Möglichkeiten er zur Geltendmachung seines Anspruchs hat. Es ist daher ratsam, sich frühzeitig rechtlich beraten zu lassen, um die individuellen Ansprüche und Möglichkeiten im Zusammenhang mit dem Pflichtteil zu klären. Dr. Lena Kolbitsch-Franz, Rechtsanwältin bei DKS Rechtsanwält:innen, steht Ihnen hier gerne zur Seite.